Eindimensionalität der ökonomisierten Bildungspolitik

»Dabei geht es um eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Staat und Hochschulen, um eine höhere Selbstverantwortung der Hochschulen und damit einhergehend eine Erweiterung ihrer Autonomie, die Verbesserung ihrer Handlungsfähigkeit sowie eine intensivere Mitwirkung der Hochschulmitglieder. Das allgemeine Ziel der Funktionalreform ist eine Stärkung der Innovationsfähigkeit und Leistungskraft der Hochschulen.« (Auszug aus dem Teil A. Allgemeines der Begründung zum Referentenentwurf zum neuen Landeshochschulgesetz NW)

In den Erläuterungen zum Referentenentwurf werden anhand von Schlüsselbegriffen Ziele und Mittel der Hochschulreform benannt, die einerseits dem Hochschulrahmengesetz des Bundes gerecht werden, andererseits aber auch eine weiterführende Umstrukturierung ermöglichen sollen. Isoliert bleiben die Schlüsselbegriffe »Demokratisierung«, »Autonomie«, »Leistung« und »Effizienz« aber sogar in den Erläuterungen stehen, werden weder in ihrem Ineinandergreifen definiert, noch sind die vorgeschlagenen Mittel zur Verwirklichung geeignet.

Hier soll skizziert werden, wie die Begriffe doch miteinander verbunden werden könnten und sich dadurch ganz andere Folgerungen als die des Gesetzes ergeben.

Demokratisierung vs. Autonomie ?

In der faktischen Kompetenzverlagerung zu Rektorat und Dekanat (§§ 9, 20, 27) wird die Demokratie gegen die Autonomie ausgespielt, obwohl sie eigentlich als sich notwendig ergänzende Kategorien zu verstehen wären.

Autonomie ursprünglich als 'Freiheit des Einzelnen, etwas zu tun' definiert, verlangt ein gesellschaftliches Pendant, das sich in der hochschulinternen Demokratie widerspiegeln müßte (§§ 13f.). Doch wird Autonomie nicht mehr als Kategorie des Einzelnen gesehen, sondern auf die Hochschule als Institution und ihre Funktionsträger bezogen; so wird die 'Freiheit in der Mittelvergabe' über Globalhaushalte erweitert und den Dekanen und den Rektoren größere Kompetenz eingeräumt. Das Gesetz jedoch widerspricht damit gerade dem Ziel der Demokratisierung. Nur wenn diese ernst genommen wird, kann sich die individuelle Autonomie mit den hochschulinternen Meinungsbildungsprozessen verbinden und umreißt somit eine inhaltliche und auf breiter Basis fußende ständige Hochschulreform, wie sie noch im HRG von 1985, § 8 vorgesehen war.

Auch die Art, in der die Evaluation betrieben und auch für die Finanzierung herangezogen werden soll (§§ 4 und 6), wird nicht etwa als Mittel verstanden, die Kommunikation zwischen den Gruppen und damit das Prinzip der Demokratie zu stützen. Sie stärkt vielmehr den Dekan und die Möglichkeit des Landes, die einzelnen Hochschulmitglieder und -institutionen zu sanktionieren.

Gleichzeitig soll der hochschulinternen Demokratie der Boden entzogen werden, wenn auf Institutsebene keine Mindestrechte für die einzelnen Gruppen festgesetzt sind.

Blutleer muß die Konzeption des Kuratoriums bleiben (§ 24), gerade weil es in einer weitergehenden Ausgestaltung zu einem Gradmesser für die Demokratisierung werden könnte.

In all diesen Fällen wird zwar Freiheit gewährt, aber mit dem Ziel, ein »Hochschulmanagement« (Begründung II. Die wesentlichen Neuregelungen) zu schaffen, anstatt die angestrebten Ziele tatsächlich zu erreichen. Legt die Begründung nahe, es handele sich um Ziele, die sich im Gesetz niederschlagen, ist genau der umgekehrte, falsche Weg gewählt worden, indem ein Pragmatismus vorherrscht, der von Unternehmensstrukturen ausgeht und dann mit emanzipatorischen Begriffen geschmückt wird.

Autonomie vs. Leistung und Effizienz ?

Der auf die Mittelvergabe eingeschränkte Begriff der Autonomie funktioniert hierarchisch und wird verbunden mit den Fragen der Leistung und Effizienz: »Zielvereinbarungen haben den Sinn, staatliche Leistungen, etwa in der Form einer weiteren Delegation von Befugnissen oder auch der Gewährung besonderer staatlicher Förderungsmittel, an Gegenleistungen zu knüpfen, zu deren Erbringung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sich die Hochschule verpflichtet.« (Begründung II. Die wesentlichen Neuerungen) Erziehungsmaßnahmen, die die Hochschule zum Handeln zwingen, sind wohl kaum das angemessene Mittel, notwendige Reformen auf den Weg zu bringen, da sie zugleich die emphatisch zitierte Autonomie untergraben.

Auch hier ist der anders zu fassende Autonomiebegriff Dreh- und Angelpunkt: er kann nämlich sowohl von der Demokratie als auch von der Leistung vereinnahmt werden. Wirtschaftliche Autonomie, die mit Stärkung der Hochschulleitung einhergeht, wählt einseitig den Weg zur ökonomischen Effizienz, die sich von der Leistung der Gemeinschaft entkoppelt und damit die Leistung Einzelner nicht mehr für die Demokratie, sondern für den Staatshaushalt definiert. Effizienz hingegen als gesellschaftliche Größe setzt individuell zu erbringende Leistung schon immer voraus. Anzustreben wäre gegen eine solche starre Entschiedenheit für Leistung oder Demokratie im Gesetzentwurf daher eine wechselseitige Ergänzung, die die Frage nach Leistung in die Gremien der Institute zurückgibt und damit inhaltlich qualifizierte und strukturierte Effizienz schafft. Fragwürdig ist daher die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen an Dekanat und Rektorat, wird sie doch der angestrebten Deregulierung nicht gerecht. Die verkürzten und damit vermeintlich effektiven Entscheidungswege schneiden die Ideenpotentiale der einzelnen Hochschulmitglieder ab, damit wird dem Ziel der »Innovationsfähigkeit« (Begründung I. Zielsetzung) ein Riegel vorgeschoben. Indem Leistung und Leistungsbewertung an die Hierarchien gebunden werden, entfällt auch der erhobene Anspruch auf Autonomie.

Staatliche Leistungen - im Referentenentwurf fälschlich allein mit der Finanzierung verknüpft - müssen zunächst unabhängig von betriebswirtschaftlicher Effizienz der Hochschulen diskutiert werden; vielmehr ist auch hier ein inhaltlicher Leistungs- und Effizienzbegriff von Seiten des Staates zu wählen, der über bessere Kommunikationsprozesse (z.B. Kuratorium) »geleistet« werden könnte (siehe B.2: Das Kuratorium). Eine finanziell ausreichende Ausstattung der Hochschulen ist aber die Grundlage für eine inhaltliche Effizienzdiskussion.

Demokratie vs. Effizienz und Leistung ?

Im Gesetz wird Quantität als Bewertungsmaßstab für die Effizienz einer Hochschule gesetzt, ohne zu bedenken, welche Folgen dies in der Rückkopplung auf die Gesellschaft beinhaltet; gesellschaftlich verantwortbare Effizienz müßte vielmehr messen, was die einzelnen Hochschulmitglieder in ihrer Gesamtheit für die Gesellschaft leisten. Effizienz begreift in dieser Definition alle Strukturen, die individuelle Leistungen durch ein flexibles und demokratisches System optimal ermöglichen. Die Verkürzung auf Kennziffern, u.a. Studienzeit und Haushaltsmittel, und den »Kunden Student« verhindert jede gesellschaftliche Verantwortung, die einzufordern wäre.

Über die ständige Studienreform, wie sie im Hochschulrahmengesetz in der alten Fassung von 1985 noch festgeschrieben war, und über die Verbesserung der sozialen Situation der Studierenden ließe sich der Rahmen für bessere Leistungen und gesellschaftliche Verantwortung effektiver und gerechter fördern.

Zudem böte sich so eine langfristige Perspektive, die Aufgaben der Hochschule zu verwirklichen: »Sie wirken dabei an der Erhaltung des demokratischen Rechtsstaats mit und tragen zur Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen bei.« (§ 3 Abs. 1 Satz 2)