Die Verzahnung von Hochschule, Staat und Gesellschaft bedarf einer institutionellen Regelung. Erfreulicherweise sieht der Referentenentwurf ein einzurichtendes Kuratorium vor (§ 24). Den weitgehenden Forderungen der Wirtschaft nach gezielter Einwirkung auf die Forschung und deren Nutzung wird mit diesem Instrument nicht entsprochen. Die Konzeption eines Hochschulrates als wirtschaftlicher Aufsichtsrat, wie in Bayern (siehe neues Modell für die TU München) durchgesetzt und in der Funktionalreform angedacht, verschärft die ökonomischen Zwänge für die Hochschulen. Um die Freiheit von Forschung und Lehre zu bewahren, ist genau dies weitestgehend auszuschließen. In dieser Hinsicht setzt sich der Referentenentwurf positiv ab. Neben den positiven Aspekten weist die Konzeption aber auch deutliche Schwächen auf. Das Kuratorium nach diesem Muster dürfte, ebenso wie es dem Konvent jetzt geschieht, bei der nächsten gründlicheren Gesetzesüberarbeitung zur Abschaffung anstehen. Denn: Es ist blutleer.
Blutleer bleibt die Konzeption, weil diesem Gremium nicht mehr als die Beratung - vor allem des Hochschulentwicklungsplans - und eine unklar formulierte regionale Einbindung zugewiesen werden. Zusätzlich dazu sollen nur drei Personen als Mitglieder qua Amt vom Gesetzgeber vorgeschrieben werden (KanzlerIn, RektorIn, städtische VertreterIn). Dadurch ist zu befürchten, daß dieses in anderer Zusammensetzung und Aufgabenbestimmung so wichtige Gestaltungsmittel einer gesellschaftlichen Einbindung zu einer Klüngelrunde verkommt, in dem die Wirkungsmöglichkeiten des Gremiums für die Hochschule nicht ausgeschöpft werden. Offenkundig werden solche Mängel etwa bei den derzeitig bestehenden und meist unbekannten Kuratorien in NRW.
Blutleer bliebe es nicht, wenn das Kuratorium die Chance erhält, eine institutionelle Verzahnung von Hochschule, Gesellschaft und Staat zu erreichen, die sowohl der Hochschule als auch der Gesellschaft hilft, sich an Nachhaltigkeit zu orientieren und weiterzuentwickeln. Besonders wichtig erscheint dieser Aspekt unter künftigen wirtschaftspolitischen Gegebenheiten, die in Richtung regionalisierter Wirtschafts-, Kapital- und Stoffkreisläufe tendieren. Damit erhalten die Hochschulen einer Region wichtige Funktionen als wissenschaftliche Impulsgeberinnen und als hochqualifizierte Ausbildungsstätte, die sie nicht im Alleingang bewältigen können und sollten und bei denen sie eine demokratische Legitimation benötigen. Dabei ist die gleichberechtigte Stellung der drei Pole Staat, Gesellschaft und Hochschule im Kuratorium für das Zusammenspiel äußerst wichtig (siehe B.1: Die autonome Hochschule).
Die Einbindung der Gesellschaft in die Hochschule in Form eines rein beratenden Gremiums ist hingegen mehr ein Feigenblatt denn ein wirkliches Zeichen an die Gesellschaft, daß sie mit ihrer Stimme an der Hochschule zu deren Weiterentwicklung beitragen soll und erwünscht ist. Schwerlich ist mit dieser Methode auch eine Verstärkung der regionalen Einbindung der Hochschule zu erreichen, denn es bleibt vollkommen unklar, wer diesem Kuratorium angehört. Zudem ist es kontraproduktiv, wenn die Vertreter/innen des ausführenden Organs in dem beschließenden Organ ordentliches Stimmrecht besitzen. Das Kuratorium, als Korrektiv verstanden, bedarf zwar der beratenden Teilnahme von KanzlerIn und RektorIn, aber keinesfalls des Stimmrechts für beide.
»Gegen Entscheidungsbefugnisse des Kuratoriums spricht auch die Gefahr, daß dadurch Entscheidungsprozesse verkompliziert und verlängert werden...« (Begründung § 24). Der Kommentar zum Referentenentwurf läßt den Schluß zu, daß er Schnelligkeit bei Entscheidungen auf Kosten demokratischer Prozesse als Paradigma über alles erhöht. Zudem wird mit dieser einfach gemachten Begründung, die Stärke des Staates gegenüber der Hochschule belassen, welche durch die propagierte Autonomie zurückgedrängt werden sollte. Autonomie wird entweder falsch verstanden oder als hohle Phrase betrachtet, um im Zusammenhang mit Globalhaushalten Geld einzusparen. Alternative Modelle, wie mit erweiterten Entscheidungswegen durch ein Kuratorium umgegangen werden kann, werden nicht gedacht. Der Münsterische Vorschlag zu Kuratorien (siehe Marc Kaulisch, Die Rückkehr der Selbständigkeit an die Hochschule, Münsterischer Vorschlag, in: http://www.geocities.com/CollegePark/Library/8231, 20.11.98) zeigt hier ein alternatives Modell auf, das für die Entscheidungsfindung zwei Phasen vorsieht. In der ersten Phase wird ein Beschluß durch ein Hochschulgremium dem Kuratorium vorgelegt. Dieses akzeptiert den Beschluß oder gibt ein begründetes Veto ab. Dann hat in der zweiten Phase das Hochschulgremium die Möglichkeit, seinen Beschluß zu ändern. Der neue oder erneute Beschluß wird vom Kuratorium beraten und ggf. beschlossen. Wenn der erneute Beschluß aus der Hochschule den Ansprüchen des Kuratoriums nicht gerecht wird, kann dieses einen eigenen endgültigen Beschluß fällen. Damit die Entscheidungswege möglichst kurz bleiben, wird ein Modell der Fristen eingesetzt. Innerhalb einer bestimmten je nach Thema und Bereich festzulegenden Frist haben die zuständigen Gremien und damit auch das Kuratorium Entscheidungen zu fällen. Zudem bewirkt die Verzahnung von Gesellschaft, Staat und Hochschule durch ein so gestaltetes Kuratorium schnellere Entscheidungen vor Ort, da der lange Weg zum Ministerium entfällt. Damit ist die »Gefahr« ausgeräumt.
Kompetenzverlagerungen
an die Hochschulen prägen zum guten Teil den Referentenentwurf
(u.a. §§ 9, 30). Auf Grundlage der derzeitigen
Gremienstruktur könnte dies endgültig zur Manifestation der
Professorenhochschule führen. Kuratorien können dazu
beitragen, daß die Kompetenzverlagerungen durch nicht nur
mehrere hochschulinterne Gruppen getragen, sondern der Staat und die
Gesellschaft zusätzlich eingebunden werden. Um die Autonomie der
Hochschule zu verdeutlichen, sollten die Kuratorien in der Mehrzahl
durch hochschulinterne Mitglieder besetzt werden. Da die Mehrheit des
Kuratoriums zwar bei der Hochschule liegt, aber nicht alleine bei der
Gruppe der ProfessorInnen, bewirkt die Einführung eines solchen
Kuratoriums einen Paradigmenwechsel in Richtung »demokratische
Hochschule«. Dies wird dadurch verstärkt, daß
u.a. die Mitglieder des Kuratoriums aus der Hochschule auf Vorschlag
jeder Gruppe von sämtlichen Mitgliedern der Hochschule gewählt
werden (siehe
Münsterischer Vorschlag).
Die inhaltliche, demokratische und offene Auseinandersetzung im
Kuratorium und mit den verschiedenen hochschulinternen Gremien soll
auf diese einen positiven Einfluß ausüben.
Im Hinblick auf landesweite kooperativ zu treffende Entscheidungen zwischen Staat, Hochschule und Gesellschaft stellt der Referentenentwurf lediglich fest, daß »Hochschulen einer Region zur Förderung ihrer Zusammenarbeit und zur besseren regionalen Einbindung ein gemeinsames Kuratorium bilden« können. Dies ist eine deutliche Absage an eine gesellschaftliche Beteiligung etwa bei der Verteilung der Haushalte, bei der Verfügbarkeit und Gestaltung von Fachrichtungen im Land und beim Umgang mit den Evaluationsergebnissen. Entgegen den Versprechungen nimmt der Staat die Hochschulen an die kurze Leine und läßt dennoch eine Verwilderung der Hochschullandschaft zu, indem die konkreten Regelungen jeder Hochschule und damit den ProfessorInnen überlassen werden. So können einige Kuratorien nach Gusto der ProfessorInnen vielfältige Aufgaben und Möglichkeiten erhalten, so werden andere wiederum aus Angst vor zuviel Öffentlichkeit nur ein eher schweigsames Gremium bilden.
Aufgrund der starken Veränderungen in dem Gesetz bezüglich der Kompetenzverlagerungen vom Land auf die Hochschulen ist es unbedingt erforderlich, nun auch die gesellschaftlichen Einbindung zu realisieren. Die Einführung von Kuratorien muß verbindlich für alle Hochschulen mit dem gleichen Maß an Aufgaben und ähnlicher Zusammensetzung festgeschrieben werden; kleine Hochschulen bzw. solche einer Stadt oder Region können ein gemeinsames Kuratorium bilden. Damit wird es möglich, eine umfangreichere Autonomie für die einzelne Hochschule zu gestalten, ohne die Lenkungsmöglichkeiten des Staates und der Gesellschaft, sowie die sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen zu vernachlässigen.
Zur Koordination landesweiter Aufgaben, wie z.B. grundsätzliche Finanzverteilung, Gestaltung von Studiengängen, Entscheidungen über Evaluationsergebnisse (siehe C.10: Evaluation), und zur gleichberechtigten Mitwirkung aller Hochschulen an Entscheidungsprozessen im zuständigen Ministerium soll zusätzlich ein landesweites Gremium eingerichtet werden, in dem gewählte VertreterInnen aller Hochschulkuratorien des Landes sitzen und das anteilig ausgewogen Hochschul-, Gesellschafts- und StaatsvertreterInnen enthalten sollte.