Im Referentenentwurf sind die Interessen von Frauen und der Verfassungsauftrag zur aktiven Gleichstellung von Frauen im Bereich der Hochschulen weitgehend unberücksichtigt geblieben. Das Problem ist bekannt, trotz steigender Zahlen von Studienanfängerinnen sinkt der Frauenanteil mit jeder Qualifikationsstufe deutlich. Zwar ist die Zahl der Professorinnen um rund ein Drittel gestiegen, dennoch ist ihre Anzahl vernachlässigbar gering. In Zahlen ausgedrückt heißt es, daß bei einer Gesamtzahl von 37.000 ProfessorInnen nur 3.300 Frauen zu finden sind. Etablierte Männerseilschaften behindern häufig die wissenschaftliche Karriere von Frauen, während in vielen internen Dienstleistungsbereichen der Hochschulen der Betrieb ohne die Beschäftigung von Frauen nicht aufrechterhalten werden könnte. Die einseitige Ausrichtung der wissenschaftlichen Laufbahn an der männlichen Berufsbiographie hat vielfach die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an der Wissenschaft behindert. Wissenschaft als Beruf muß auch in spezifisch weiblichen Lebenslagen und bei weiblicher Lebensplanung möglich sein. Der Initiationsritus der Habilitation, die großen Schwierigkeiten eines Wiedereinstiegs ins Wissenschaftssystem nach einer familiären Pause und das mißtrauische Beäugen von Frauenforschung sind nur einige Beispiele für die erheblichen Benachteiligungen von Frauen in den Hochschulen.
Ohne einen qualitativen Sprung bei der Aufhebung der Benachteiligung von Frauen in allen Bereichen und auf allen Ebenen verfehlt die Reform ihren Zweck. Alles, was über die Einbindung der Hochschulen in die Bewältigung von Zukunftsaufgaben zu formulieren ist, stimmt nur zur Hälfte, wenn die Hochschulen nicht selbst die Aufhebung der Frauenbenachteiligung zu einem Teil ihrer strukturellen und inhaltlichen Selbsterneuerung machen. Gleichzeitig steht in den Hochschulen ein Generationswechsel an - in den nächsten Jahren werden annähernd die Hälfte aller Professuren neu zu besetzen sein. Diese Chance zur aktiven Frauenförderung muß genutzt werden, aber nicht so zaghaft, wie es der Referentenentwurf angeht.
Der Ansatz, die staatliche Finanzierung der Hochschulen auch an die Maßnahmen zur »Erfüllung des Gleichstellungsauftrages« zu koppeln, ist richtig, greift aber im Gesetzesentwurf nicht weit genug. Erforderlich wäre die Erstellung von Frauenförderplänen mit konkreten Zielvorgaben, bei deren Erfüllung staatliche Gelder fließen, zusätzlich zu einer Grundfinanzierung, woraus beispielsweise die Stelle und das Büro der Gleichstellungsbeauftragten finanziert wird. Im Anfangsstadium sollte eine Aufbaufinanzierung einer »frauengerechten« Infrastruktur an den Hochschulen erfolgen, die weitere Finanzierung könnte auch projektorientiert erfolgen (siehe D.1.: Hochschulfinanzierung).
Die Erfüllung der Zielvorgaben aus den Frauenförderplänen sollte evaluiert werden. Dies ist in weiten Teilen fast aufkommensneutral zu realisieren, da die Hochschulen alle notwendigen Daten bereits heute erheben. An die Ergebnisse dieser Evaluation kann auch die Vergabe von zusätzlichen Mitteln aus dem Landeshaushalt geknüpft werden. Grundsätzlich ist eine solche Verkopplung von Evaluation und Mittelvergabe abzulehnen, da sich auf Inhalte des Wissenschaftsbetriebs auf diese Weise keine sinnvollen Steuerungsimpulse ausüben lassen (siehe C.10: Evaluation). Die Benachteiligung von Frauen ist jedoch ein rein strukturelles Problem, welches quer durch alle Fachrichtungen und Organisationsebenen der Hochschulen in ähnlicher Form besteht, und deshalb nach relativ eindeutigen Kriterien evaluiert werden kann.
Beispiele einer projektorientierten Finanzierung zur Frauenförderung wären die Vergabe von Stipendien an Nachwuchswissenschaftlerinnen, Weiterbildungsprogramme für Wissenschaftlerinnen und Mitarbeiterinnen, die Einrichtung hochschuleigener Kindertagesstätten oder die Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung an Hochschulen. Vor allen Dingen kann bei den Projekten die Situation der einzelnen Hochschulen berücksichtigt werden, indem die Hochschulen und die Fachbereiche die Projekte selbständig entwickeln.
Weiterhin sollten die oben genannten Frauenförderpläne Zielvorgaben enthalten, die verbindliche Quoten festlegen, beispielsweise bei Abschlüssen und weiteren Qualifikationen. Eine Vorreiterrolle hat in diesem Bereich die Freie Universität (FU) Berlin, wo seit 1995 ein Anreizsystem zur Frauenförderung besteht. Dieses Anreizsystem ist eines der Mittel zur Frauenförderung, es beschränkt sich auf meßbare und vergleichbare Kriterien, wie etwa auf die Anzahl der von Frauen absolvierten Abschlüsse auf den verschiedenen Qualifikationsstufen. Besondere Priorität genießen dabei Habilitationen und Berufungen. Damit die Geldleistungen nicht willkürlich bemessen werden, findet ein Bezug zur vorhergehenden Qualifikationsstufe statt: Promotionen werden in Bezug zu Absolventinnen gesetzt, Habilitationen in Bezug zu Promotionen und Neuberufungen von Frauen werden in Bezug gesetzt zu Neuberufenen insgesamt. Wichtig ist jedoch, daß die öffentlichen Mittelzuweisungen auch an die Frauenförderungsmaßnahmen gebunden werden, um einen Anreiz zu schaffen. Ein solches Anreizsystem sollte jedoch nur ein Instrument unter vielen zur aktiven Frauenförderung sein.
Eine weitere zu ergreifende Maßnahme besteht in der Stärkung der Stellung der Gleichstellungsbeauftragten. Die Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule wird von der Gleichstellungskommission des Senates gewählt, diese setzt sich aus zwei Vertreterinnen jeder Gruppe zusammen. Gleichstellungsbeauftragte können alle weiblichen Mitglieder der Universität werden, sie muß nicht der Gleichstellungskommission angehören. Falls es sich um eine Studentin handelt, ist sie entsprechend finanziell abzusichern. Wir begrüßen die Einrichtung einer Senatskommission, die sich mit Gleichstellungsfragen befaßt. Ihre Mitglieder sind nur Frauen, die Gleichstellungsbeauftragte übernimmt den Vorsitz. Stellvertreterinnen der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten können aus allen Statusgruppen kommen (nebenamtlich, Studentinnen dann mit Vergütung), weitere nebenamtliche Beauftragte sollen auf Fachbereichsebene eingesetzt werden. Diese werden von allen weiblichen Mitgliedern des Fachbereichs alle zwei Jahre gewählt; handelt es sich hierbei um eine Studentin ist sie ebenfalls finanziell abzusichern, die Amtszeit reduziert sich dann auf ein Jahr. Die Gleichstellungsbeauftragten der Fachbereiche nehmen mit beratender Stimme an der Gleichstellungskommission teil.
Sie wirken insbesondere - zusammen mit der Gleichstellungskommission des Senates - mit bei der Erstellung des Frauenförderplans, bei Personalmaßnahmen, bei der Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Studiensituation, sowie der Beratung der Frauen der Hochschule. Weitere Rechte: Informations-, Teilnahme-, Rede- und Antragsrecht der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten in allen Gremien, Vetorecht mit aufschiebender Wirkung. Die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterinnen sind an allen die Frauen der Hochschule betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen und begleiten die Umsetzung der Maßnahmen zur Frauenförderung.
Um diese Vielfalt von Aufgaben zu bewältigen, sollten sie materiell und personell bedarfsgerecht ausgestattet werden.
Bei der Besetzung von Gremien sollte auch der Grundsatz der geschlechtsparitätischen Besetzung gemäß § 12 des Landesgleichstellunggesetzes (LGG) gelten, wo dieses nicht möglich ist, ohne die aktiven Frauen zu überlasten, sind andere Quotierungen vorzusehen. Die Quote ist aufgrund des prozentuellen Frauenanteiles der jeweiligen Hochschule zu berechnen. Entscheidungen über eine solche Quotierung obliegen dem Gleichstellungsausschuß des Senats. Die Quote wird doppelt so hoch angesetzt, wie der prozentuelle Frauenanteil. Ab einem Frauenanteil über 25 % werden die Gremien geschlechtsparitätisch besetzt.